Willkommen im Prinzessinnenland, wo jedes Schniefen zur strukturellen Gewalt wird, Empörung als Beweismittel gilt – und ein Rauswurf aus der NDR-Talkshow zur Krönung feministischer Relevanz gereicht. Unser heutiger Star im Betroffenheitszirkus: Jennifer Weist. Ex-Popstar, Neu-Autorin, Daueraktivistin – und offensichtlich eine PR-Maschine auf zwei Beinen.
Ihr Buch nackt ist der Versuch, schonungslos mit der eigenen Geschichte abzurechnen: Missbrauch, Übergriffe, Sex, Wut, Widerstand. Keine Frage – das Thema ist ernst, das Anliegen berechtigt. Und Weist kann schreiben. Aber was sie besser kann, ist: sich inszenieren. Medienwirksam, kampagnenfähig, attention-optimiert.
Die Krönung des Theaterstücks: Die Einladung zur NDR-Talkshow. Also: zur öffentlich-rechtlichen Feierabendplauderei, bei der fünf Menschen aus Kultur, Medien und Comedy brav an einem Tisch sitzen, ein bisschen über sich erzählen und am Ende nett klatschen. Die perfekte Bühne für ein Buch über sexualisierte Gewalt? Natürlich nicht. Aber genau das ist ja der Trick.
Denn man muss weder Medienprofi noch Hellseher sein, um zu erkennen: Das passt nicht. Weist mit einem Buch, das alle Tabus zerschießt – in einer Sendung, in der Ina Müller neulich noch begeistert erzählte, wie sie ein Sofa gekauft hat. Aber ach, die Naivität! Als dann tatsächlich die Absage kam, angeblich wegen „inhaltlicher Überladung“, war der moralische Empörungskanon nicht mehr zu stoppen.
Zensur! Tabubruch! Feigheit!
Ein öffentlich-rechtlicher Sender lässt eine Frau nicht zu Wort kommen, die über sexualisierte Gewalt spricht! Skandal! Shitstorm! Ein Fall für die Empörungs-Bundeswehr!
Aber Moment. Was, wenn genau das der Plan war?
Was, wenn Weist und der Verlag (Rowohlt ist auch nicht auf den Kopf gefallen) ganz genau wussten, wie der Hase läuft? Was, wenn man sich absichtlich nicht für progressivere Formate entschieden hat – sondern genau für das Format, das am ehesten „Überforderung“ schreit?
Und noch schöner: Jennifer Weist hat dem NDR sogar exklusive Erstverwertungsrechte eingeräumt. Naiv? Oder strategisch genial? Denn was bringt mehr Aufmerksamkeit für ein unbequemes Buch als… genau: der Beweis, dass es angeblich zu unbequem ist. Zack, da ist das Framing: Mutige Frau wird mundtot gemacht! Das Buch, das keiner hören will! Die Stimme, die zu laut ist für die weichgespülte Medienlandschaft!
Das Resultat: flächendeckende Berichterstattung.
Die üblichen Feuilletons schlagen Alarm, Podcast-Moderatorinnen zittern vor Wut, Twitter explodiert. Niemand hat das Buch gelesen, aber alle finden es „unverzichtbar“. Wer wissen will, wie man ein Werk über Nacht relevant macht, muss keine gute Geschichte mehr erzählen. Es reicht, sich nicht erzählen zu dürfen.
Und klar, man kann sich jetzt fragen, warum ein öffentlich-rechtlicher Sender ein so sensibles Thema nicht behandelt. Aber genauso sollte man fragen, warum eine Medienprofi-Frau wie Weist sich genau diesen Sender für die Exklusivrechte aussucht.
Vielleicht, weil sie genau wusste, dass dort das Format nicht passen wird. Vielleicht, weil das Nichterscheinen hundertmal mehr Schlagzeilen produziert als ein „Wir schalten gleich zu Jennifer Weist, die uns erzählt, warum sie nackt ist“. Und vielleicht, weil Empörung die Währung ist, in der heute Bestseller gemacht werden.
Was in dieser ganzen Nummer auf der Strecke bleibt: Inhalt. Das eigentliche Thema. Die Auseinandersetzung mit dem, was Weist erzählt – abseits von Social-Media-Furor und Talkshow-Scharmützel. Denn wer nackt liest, merkt: Da steckt Substanz drin. Aber Substanz hat es heute schwer. Sie braucht zu lange. Sie lässt sich nicht so gut empören wie ein abgesagter Auftritt.
Also spielen alle ihre Rollen:
- Der NDR: überfordert, unbeholfen, peinlich korrekt.
- Jennifer Weist: kämpferisch, enttäuscht, öffentlichkeitswirksam verletzt.
- Der Verlag: überrascht, aber sehr zufrieden mit dem Vorverkauf.
- Die Community: empört, solidarisch, aber das Buch wird erst gelesen, wenn’s ein Audible-Abo dazu gibt.
Und das Buch? Wird jetzt definitiv gekauft. Nicht weil es gut ist. Sondern weil es „unterdrückt“ wurde.
Die neue Bestsellerformel lautet: Skandal vor Substanz. Und das klappt zuverlässig.
Fazit:
Im Prinzessinnenland ist das Canceln längst Teil der Marketingstrategie.
Wer heute nicht eingeladen wird, verkauft morgen doppelt so viel.
Und wer genug Lärm um sein Schweigen macht, hat mehr gesagt als alle Talkshows zusammen.
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