Willkommen im dunklen Keller des Internets, wo sich die „unfreiwillig Zölibatären“ – oder kurz: Incels – treffen, um ihre Misere zu zelebrieren und die Welt dafür verantwortlich zu machen. Sie nennen sich „Opfer des Lookismus“ und schwören auf den „Blackpill“, eine Ideologie, die so düster ist, dass selbst Schopenhauer dagegen wie ein optimistischer Wellness-Coach wirkt. Doch hinter dem selbstbemitleidenden Gejammer verbirgt sich eine beunruhigende Wahrheit: Diese Community ist nicht nur ein Auffangbecken für gesellschaftliche Außenseiter, sondern auch ein Nährboden für Frauenhass, toxischen Zynismus und rechtsextreme Ideologien.
Looks, Money, Status: Die perfekte Ausrede – mit einem wahren Kern
Für viele Incels ist alles eine Frage der äußeren Umstände: Wer nicht aussieht wie ein Model, kein Geld hat und keinen sozialen Status mitbringt, hat laut ihrer Logik auf dem Dating-Markt verloren. Wenn der Traum von Liebe oder wenigstens einem Swipe nach rechts ausbleibt, liegt das natürlich nicht an mangelnder Empathie, unreflektierten Ansichten oder sozialer Unsicherheit – sondern ausschließlich an der angeblich oberflächlichen Gesellschaft, die nur auf Sixpacks, Kontostände und Alpharollen achtet.
Aber: Ganz von der Hand zu weisen ist diese These nicht. Studien und Dating-Statistiken zeigen durchaus, dass Attraktivität, Einkommen und sozialer Status eine Rolle dabei spielen, wie Menschen wahrgenommen werden – besonders im Kontext von Online-Dating, wo Entscheidungen in Sekunden getroffen werden. Die Gesellschaft ist in vielen Bereichen visuell, kompetitiv und nicht frei von Oberflächlichkeit.
Die Blackpill: Wenn Nihilismus und Frauenhass ein Kind hätten
Die Blackpill ist das ideologische Herzstück der Incel-Community – eine zynische Lebensphilosophie, die besagt, dass Erfolg im Leben ausschließlich von genetischen und sozialen Faktoren abhängt, die man nicht beeinflussen kann. Es ist die perfekte Rechtfertigung für Passivität, Selbstmitleid und den tiefsitzenden Groll gegen alle, die es „besser“ haben. Und natürlich: Frauen.
Denn für Incels sind Frauen keine Individuen mit eigenen Gefühlen oder Wünschen – sie sind Trophäen, die entweder unerreichbar oder völlig wertlos sind. Dieses Denken wird in den Foren offen zur Schau gestellt, wo sich Witze über sexualisierte Gewalt und die angebliche „Oberflächlichkeit“ von Frauen stapeln. Paradox: Während Incels Frauen vorwerfen, nur auf das Äußere zu achten, reduzieren sie selbst Frauen auf reine Objekte ihrer Begierde.
Zwischen Frust und Radikalisierung: Die Anschlussfähigkeit zur extremen Rechten
Es bleibt in vielen Fällen nicht bei Frauenverachtung und Selbstmitleid. In Teilen der Incel-Community gibt es deutliche Überschneidungen mit rechtsextremen Ideologien – nicht zwangsläufig, aber immer wieder sichtbar. Besonders dort, wo persönliche Ohnmacht auf ein klar definiertes Feindbild trifft, wird die politische Radikalisierung zur verführerischen Option: Plötzlich ist nicht mehr nur der eigene Kieferwinkel schuld, sondern „der Feminismus“, „die kulturelle Dekadenz“ oder gleich „die Globalisten“.
Solche Narrative bieten eine einfache Erklärung für komplexe soziale Frustrationen – und das trügerische Gefühl von Zugehörigkeit. In dieser paranoiden Weltanschauung stilisieren sich einige Incels zu Märtyrern einer angeblich verweichlichten Gesellschaft, in der Männer „nicht mehr Männer sein dürfen“. Es folgt die Glorifizierung traditioneller Geschlechterrollen, die Sehnsucht nach einer patriarchalen Ordnung – bis hin zu offenen Fantasien der Unterwerfung von Frauen und Minderheiten.
Dabei muss klar sein: Nicht jeder frustrierte Mann mit Dating-Problemen ist ein potenzieller Extremist. Doch genau diese Unterscheidung wird in öffentlichen Debatten oft ignoriert. Der Vorwurf, „Incel = rechtsextrem“, dient nicht selten auch als moralische Abriegelung – zur Abwertung und Beschämung, weniger zur differenzierten Auseinandersetzung. Und genau das kann den Effekt verstärken: Wer pauschal stigmatisiert wird, findet leichter Anschluss an Milieus, die ihn „verstehen“. Die Gefahr liegt nicht in der Masse, sondern in der Anschlussfähigkeit.
Das Gift, das alles durchdringt
Der Incel-Hass auf Frauen ist keine Nebenerscheinung, sondern das Herzstück dieser Ideologie. Frauen werden als manipulative, egoistische Wesen dargestellt, die Männer „ausnutzen“ und gleichzeitig systematisch benachteiligen. In den Foren ist die Rede von „Stacys“ (attraktive Frauen, die Männer „verachten“) und „Chads“ (attraktive Männer, die alle Frauen „kriegen“).
Dieser Hass wird nicht selten zu Gewaltfantasien. Berüchtigte Amokläufer wie Elliot Rodger, der 2014 sechs Menschen ermordete, gelten in radikalisierten Incel-Kreisen als Helden und Märtyrer. Diese Eskalation ist kein Zufall, sondern die logische Konsequenz aus einer Ideologie, die Frauen die Schuld für alles gibt, was in ihrem Leben schiefläuft.
Geteilte Bequemlichkeit: Incels und strategischer Feminismus im Schuldsuchmodus
So unterschiedlich sie scheinen mögen, teilen Incels und der strategische Feminismus eine überraschende Gemeinsamkeit: Beide haben die Kunst perfektioniert, persönliche Probleme in systemische Missstände umzudeuten, um sich elegant aus der Eigenverantwortung zu winden. Für Incels ist es eine angeblich feministisch dominierte Gesellschaft, die sie zu sexlosen Außenseitern degradiert. Für den strategischen Feminismus ist es das allgegenwärtige Patriarchat, das jede persönliche Enttäuschung oder Lebenskrise erklärt. Beide Gruppen haben damit einen Freifahrtschein für Selbstmitleid und moralische Überlegenheit gelöst.
Der Clou: Man muss sich nicht mit den eigenen Unzulänglichkeiten herumschlagen – sei es, soziale Kompetenzen zu verbessern oder sich konstruktiv mit der Realität auseinanderzusetzen. Stattdessen genügt ein Fingerzeig auf das System, das angeblich für alles verantwortlich ist. Warum an sich arbeiten, wenn man sich stattdessen als Opfer stilisieren und gleichzeitig das Recht beanspruchen kann, alles und jeden anzuklagen? So sitzen beide Gruppen bequem in ihrer selbstgewählten Passivität und schieben die eigentliche Arbeit – Wachstum, Dialog, Veränderung – von sich. Und während sie in ihrer Schuldzuweisungsblase schmoren, haben sie noch eines gemeinsam: die erstaunliche Blindheit für die Ironie, dass sie sich dabei oft genauso toxisch verhalten wie das System, das sie angeblich bekämpfen.
Der Elefant im Raum: Warum machen wir mit?
Die Incel-Community ist ein Symptom einer Gesellschaft, die Oberflächlichkeit glorifiziert, toxische Geschlechterrollen fördert und Männer darin ermutigt, ihre Identität aus ihrem Erfolg bei Frauen abzuleiten. Doch während die meisten von uns in irgendeiner Form gegen diese Strukturen ankämpfen, nutzen Incels sie als Rechtfertigung, sich als Opfer aufzuspielen und Hass zu kultivieren.
Die eigentliche Tragödie ist, dass Incels durchaus auf ein reales Problem hinweisen: Lookismus, Einsamkeit und soziale Isolation sind echte Herausforderungen. Aber anstatt konstruktive Wege zu finden, diesen zu begegnen, wählen sie die Abkürzung: Schuldzuweisungen, Hass und Rückzug.
Die Anti-Helden des Internets
Incels mögen sich als Opfer inszenieren, doch in Wahrheit sind sie Täter. Täter, die ihren Hass in die Welt hinaustragen, anstatt die Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Vielleicht ist das die wahre Blackpill: Die Erkenntnis, dass man sein Leben selbst in die Hand nehmen muss, anstatt es anderen – vor allem Frauen – in die Schuhe zu schieben.
Bis dahin bleibt nur eines zu sagen: Männer, die sich wirklich verändern wollen, suchen keine Schuldigen – sie suchen Lösungen. Alle anderen können weiterhin im Keller sitzen, Memes teilen und sich selbst beweinen. Aber die Welt schuldet ihnen weder Aufmerksamkeit noch Verständnis.
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