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Ausgelacht oder angeklagt – viel mehr Optionen bleiben nicht.

Ein kontroverser Blick auf das Dillema der Incels

Es gibt ein Wort, das in feministischen Kreisen gerne Hohn auslöst:
Incel. Kurz für „involuntary celibate“, also unfreiwillig zölibatär.
Meist assoziiert mit dumpfer Frauenverachtung, toxischem Männerbild und Internetforen voller Frust.

Aber: Ist das stimmig? Oder verkennen wir gerade etwas Grundlegendes?

Jeder Mann war schon mal „Incel“ – im eigentlichen Wortsinn

Wenn man den Begriff mal ganz nüchtern betrachtet, beschreibt er schlicht einen Zustand: Ein Mann möchte Sex, findet aber keine Partnerin. Punkt. Das kann der klassische Korb sein, das „Abblitzen”. Kein Verbrechen. Kein Hass. Meistens kein Drama. Ein ganz normaler, menschlicher Moment. Und ich kenne keinen einzigen Mann – egal ob attraktiv, erfolgreich oder charmant –, der nicht irgendwann in seinem Leben genau da war: Sexuelles Interesse trifft auf Ablehnung.
Wunsch trifft auf Nein. Fantasie trifft auf Realität.

Das ist nicht pathologisch. Das ist Alltag.

Die entscheidende Frage ist: Wie geht man damit um?

Es gibt zwei Möglichkeiten:

  1. Man akzeptiert die Ablehnung.
  2. Oder man tut es nicht.

Der Mann, der das Nein respektiert – der sich zurücknimmt, obwohl sein Wunsch brennt –, der handelt zivilisiert. Er übertritt keine Grenzen. Er hält sich an Regeln, an Respekt, an Einvernehmlichkeit. Ein braver Junge.

Und was bekommt er dafür? Oft genug: Hohn. Spott. Mitleid. Verachtung. „Keiner will dich.“ „Wenn du ein richtiger Mann wärst…“ „Kein Wunder, dass du allein bist.“

Früher waren es die Schulhöfe, denen Mädchen ihre ausgesprochene Ablehnung gegenüber ihren Mitschülerinnen laut dokumentiert haben, weil „Martin so ein Creep ist“ um ihren sozialen Status zu erhöhen. Heute sind es auf größerer Ebene Soziale Medien.

Sie lachen über die, die sich an die Regeln halten. Und wundern uns, wenn diese irgendwann keine Lust mehr auf die Regeln haben.

Der Juwelier

Man stelle sich einen Juwelier oder Uhrenhändler vor, der in einer Stadt vor seinem Laden steht – vor einer Menge ärmerer Menschen – und sie laut verhöhnt: „Wie erbärmlich ihr seid! Ihr könnt euch meine Produkte gar nicht leisten!“ Er macht sich lustig. Tag für Tag. Demütigt sie.

Wie lange bleibt dieser Mann sicher, wenn  Staat und Polizei sein Geschäft nicht mehr schützt? Was passiert mit seinem Eigentum wenn eines Nachts die Türen unverschlossen sind? Wenn das letzte bisschen Respekt und Zivilisation abgebaut ist? Die Ärmeren nicht mehr glauben, dass er dem gesellschaftlichem Konsens folgt? Wer ständig verhöhnt, dass andere draußen bleiben müssen, riskiert, dass sie irgendwann die Tür eintreten.
So viel zur gesellschaftlichen Stabilität.

Schauen wir  auf extreme Pole. Zwei Archetypen männlichen Begehrens – beide zutiefst menschlich, aber gesellschaftlich völlig unterschiedlich bewertet:

Der Incel

Der Mann, der kein „Ja“ bekommt – und das „Nein“ akzeptiert. Er fügt sich der Realität. Er leidet still oder flucht ins Leere. Er bleibt draußen, weil er die Spielregeln respektiert. Dafür wird er verlacht, beschämt, als schwach abgestempelt.
Sein Fehler? Er hat sich dem gesellschaftlichem Konsens gefügt, sich zivilisiert verhalten..

Der Usurpator

Der Mann, der kein „Nein“ gelten lässt. Er nimmt sich, was er will – mit Macht, Gewalt, Charme oder Drohung. Er bricht Regeln, reißt sich Frauen, Länder, Leben unter den Nagel. Der Archetyp: Dschingis Khan, der seine Gene zu Millionen verteilt hat, ob freiwillig oder nicht. Die Geschichte kennt viele wie ihn – Krieger, Eroberer, Gen-Streuer.
Ihr „Erfolg“? Brutal, aber effizient. Unzivilisiert, keinem Konsens unterworfen

Jetzt wird’s unangenehm:
Wen bewundert die Gesellschaft wirklich?

Wessen Gene überleben – biologisch oder metaphorisch?
Wessen Namen stehen in Geschichtsbüchern, auf Denkmälern, in Mythen?

Der Incel respektiert Grenzen – und wird verachtet.
Der Usurpator bricht sie – und wird gefürchtet oder glorifiziert.

Das ist der Kern der Perversion: Wir bestrafen das Zivilisierte. Was natürlich nur funktioniert, wenn uns der zvilisatorische Rahmen, die die sie verhöhnen, auch schützt.

Wenn wir also ernsthaft über toxische Männlichkeit, Macht, Sex und Moral sprechen wollen –
dann müssen wir uns auch dieser unbequemen Frage stellen:
Wen formen wir eigentlich – mit unseren Normen, unseren Medien, unseren Reaktionen?

Der Denkfehler: Wer keinen Sex hat, ist verdächtig

In unserer hypersexualisierten Gesellschaft ist Sex nicht mehr nur Privatsache, sondern Status. Und wer keinen Zugang zu diesem Status hat – sei es freiwillig oder unfreiwillig –, wird nicht neutral behandelt, sondern wie ein Versager.

Aber genau darin liegt das Problem:
Wenn du als Mann das Nein einer Frau respektierst, kann das plötzlich gegen dich verwendet werden. Du bist dann nicht zivilisiert. Du bist „komisch“. Du bist „Incel“.

Die Ironie? Würdest du das Nein nicht respektieren, wärst du ein Täter. Respektierst du es, bist du ein Loser. Das ist eine perfide Zwickmühle.

Frauen sind Gatekeeper – aus gutem Grund. Aber es hat Konsequenzen.

Niemand bestreitet das Recht einer Frau, Ja oder Nein zu sagen. Das ist Konsens, und es ist gut so. Grundlage unserer Zivilation. Aber: Wer die Kontrolle über etwas hat, trägt auch Verantwortung für den Umgang damit.

Wenn der Zugang zu Sexualität durch Konvention und Recht klar geregelt ist – und Männer in dieser Konstellation die Bittsteller sind –, dann müssen wir als Gesellschaft auch mit den Konsequenzen umgehen: Es wird Männer geben, die dauerhaft draußen bleiben. Weil sie nicht ins Schema passen. Oder einfach Pech haben. Und diesen Männern dann auch noch moralisch auf die Fresse zu geben – das ist nicht Aufklärung, sondern Doppelmoral.

Der toxische Reflex: Kritik = Frauenhass

Was mich zunehmend stört: Sobald ein Mann in diesen Fragen eine unbequeme Meinung äußert, wird er schnell abgestempelt: „Incel! Misogyn! Gefährlich!“

Das Label ersetzt das Argument. Die Zuschreibung ersetzt die Auseinandersetzung.

Aber wenn jeder Mann, der seine Erfahrung von Zurückweisung oder Frust teilt, automatisch zum Feind erklärt wird – wie soll da ein Dialog entstehen? Sie sagen: Männer sollen Gefühle zeigen. Aber wehe, diese Gefühle passen nicht zur Komfortzone.

Fazit: Wer sich zurücknimmt, verdient keinen Spott

Ein Mann, der sich zurücknimmt, wenn er abgelehnt wird – der damit klarkommt, dass sein Wunsch gerade nicht erfüllt wird –, der ist kein Witz. Der ist kein Schwächling. Und ganz sicher kein Problemfall.

Er ist Teil einer Gesellschaft, in der Konsens und Respekt zählen sollen.

Wenn wir es ernst meinen mit Gleichberechtigung und Empathie, dann dürfen wir nicht ausgerechnet jene auslachen, die sich korrekt verhalten.

Denn sonst bleibt nur noch Zynismus. Und der ist brandgefährlich.

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