Warum diese Floskel keine Empathie zeigt – sondern infantile Machtansprüche tarnt.
Es klingt so schön. So weich. So progressiv. So unfassbar zeitgeistig: „We listen and we don’t judge.“
Ein Mantra, das mittlerweile auf jedem Instagram-Kachelzitat, jedem Podcast-Intro und jeder Teamkultur-Folie steht. Aber was steckt eigentlich dahinter? Was soll das heißen – wir hören zu, und wir urteilen nicht?
Ein Ideal von Mitgefühl? Ein Aufruf zu Empathie in einer rauen Welt?
Nein. Es ist ein Schutzschild. Eine Abwehr. Ein Erziehungsprinzip für Erwachsene, die keine Kritik vertragen.
Urteilsfreiheit – aber nur auf Bestellung
Denn diese „Don’t Judge“-Attitüde gilt nicht universell. Sie ist nicht ethisch. Nicht tolerant. Nicht offen.
Sie ist selektiv. Instrumentell. Identitätspolitisch aufgeladen.
Denn: Geurteilt wird ständig. Sogar fanatisch. Nur eben bitte nicht über einen selbst.
Wenn die Kollegin sich kritisch äußert – „toxisch“.
Wenn der Chef Führungsverantwortung einfordert – „patriarchal“.
Wenn jemand Leistungsmaßstäbe anlegt – „leistungsfixiert“.
Wenn jemand Konsequenzen zieht – „empathielos“.
Aber wenn es um den eigenen Lebensstil, die eigene Unsicherheit, das eigene Versagen geht, dann soll plötzlich alles stillstehen:
„We listen and we don’t judge.“ Aha.
Der Witz ist: Frauen lieben Urteile, solange sie sie über andere fällen können.
Wenn ein Urteil sie betriff, natrürlich auch: Solange sie positiv sind. Und emotional aufgeladen. Und inspirational.
„Du bist so stark.“ „Du bist so mutig.“ „Ich bewundere dich total.“ „Du bist eine absolute Powerfrau.“ „You go girl.“
Alles erlaubt. Alles erwünscht. Alles gefeiert.
Aber wehe, jemand sagt:
– „Das war unprofessionell.“
– „Dein Verhalten war egozentrisch.“
– „Hier geht’s nicht nur um Gefühle, sondern um Verantwortung.“
Dann ist plötzlich: „Don’t judge me.“
Die infantile Vermeidung von Realität
Diese neue Empathie-Religion verkauft sich als Weiterentwicklung gesellschaftlicher Werte.
Tatsächlich ist sie eine Regression in die Selbstbezogenheit.
Man kann das alles auch kürzer sagen:
„Ich will alles sein dürfen – aber für nichts verantwortlich sein müssen.“
- Ich will gehört, aber nicht hinterfragt werden.
- Ich will Aufmerksamkeit, aber keine Leistung bringen.
- Ich will Respekt, aber keinen Widerspruch.
- Ich will Führung übernehmen, aber keine Konsequenzen tragen.
Das ist keine Haltung – das ist emotionale Faulheit mit Feminismus-Etikett.
Das Queen Bee –Paradoxon
Die Queen Bee, die toxische Führungsfigur in weiblich, ist kein seltenes Exemplar.
Sie sonnt sich im Empowerment-Vokabular. Sie fordert Sichtbarkeit. Sie predigt Gleichberechtigung. Aber wehe, man misst sie an den gleichen Maßstäben wie einen Mann.
Dann wird sofort die patriarchale Karte gezogen: Ihr VErhalten ist natürlich nur eine Effekt internalisierter patriarchaler Strukturen. Und ihre Schuld wird externalisiert.
Der Schaden für alle
Was diese „Don’t judge me“-Haltung anrichtet, ist enorm:
- Sie entwertet echte Empathie.
- Sie sabotiert ehrliches Feedback.
- Sie macht erwachsene Auseinandersetzungen unmöglich.
- Und sie diskreditiert jeden, die Verantwortung nicht scheut.
Denn solange Frauen von dieser Filterblase vertreten werden, die keine Kritik mehr zulässt, wird jede ernstzunehmende Frau mit Führungsqualität unter Verdacht gestellt:
Ist sie kompetent? Oder einfach nur „empowert“ und kritikresistent?
Der Unterschied zwischen Respekt und Schonung
Wirklicher Respekt entsteht nicht, wenn man sich gegenseitig wie rohes Ei behandelt.
Sondern wenn man sich etwas zutraut.
Auch das Recht, sich zu irren.
Auch das Recht, kritisiert zu werden.
Auch das Recht, sich weiterzuentwickeln.
„We listen and we don’t judge“ klingt freundlich – aber ist in Wahrheit eine Einbahnstraße in die Selbstgerechtigkeit.
Ein Safe Space, der vor allem eines verhindert: Wachstum. Wokeness, 4. Welle-Feminismus und ihre Instagram-Ableger haben es geschafft, das Prinzip der Bewertung komplett umzudrehen:
Du darfst alles sagen – solange es mich feiert.
Du darfst alles beurteilen – solange es andere trifft.
Aber wag es nicht, mir zu sagen, dass ich mich ändern sollte.
Solange das so bleibt, ist „We don’t judge“ nicht der Beginn einer besseren Welt, sondern das Ende jeder ernsthaften Diskussion.
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